Nach Wochen und Monaten des Wartens durfte die Historische Formel Vau Europa endlich wieder mit ihren historischen Fahrzeugen auf die Strecke. Die sorgfältige Organisation des Veranstalters MSC machte es möglich, dass unsere Mitglieder ein „fast normales“ Rennwochenende verbrachten. Dass die Fahrer nichts verlernt hatten, konnte man auf der Strecke sehen; das ein oder andere Rennfahrzeug hingegen hatte den verlängerten Winterschlaf nicht so gut überstanden.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge reisten die rund 30 Fahrer an den Hockenheimring. Die Freude war natürlich riesengroß, endlich wieder auf dem Rundkurs zu fahren, anderseits vermisste die Fahrerschaft einen geschätzten Kollegen: Anselm Gröning war in der Vorwoche im Alter von 56 Jahren verstorben. Die Läufe in Hockenheim wurden deshalb „in Gedenken an Anselm Gröning“ geführt.
Eine Veranstaltung dieser Größenordnung in Corona-Zeiten ist eine besondere Herausforderung. Der veranstaltende MSC hatte für extra-viel Platz und damit gute Separation der verschiedenen Rennserien gesorgt. Innerhalb des Formel Vau-Fahrerlagers sorgte Verwaltungsvorstand Wolfgang Rafflenbeul für entsprechende Freiräume, das Catering wurde vom V-wie-Verantwortungs-Team vorbildlich kontaktlos organsiert. Kaffee gab es zur Selbstbedienung im eigenen Free-Refill-Becher, die wohlschmeckenden „Vesper Weckle“ wurden in einer Kühlbox ebenfalls zur Selbstbedienung gereicht. Dazu gab es – selbstverständlich erst nach Feierabend – ein wohlverdientes V-laschenbier aus der Region. Auch Papierabnahme, Fahrerbesprechung und Siegerehrung verliefen hochdiszipliniert – mit respektvollem Abstand.
Mit einem kleinen Fahrerfeld – gemeldet waren 32 Fahrzeuge, von denen es 30 an den Hockenheimring schaffen – geht es Freitag vormittag zum freien Training. Wie immer nach längerer rennfreier Zeit gibt es auch gleich ein paar technische Wehwehchen zu beklagen. Klasse-2-Pilot Kenneth Schlienz muss schon früh die Segel streichen; Lagerschaden an seinem schönen Fuchs Einvergaser. Bei March-Pilot Dirk Kornmeyer lassen sich die Gänge 3 und 4 nicht einlegen, keine guten Voraussetzungen für einen Hochgeschwindigkeitsstrecke wie Hockenheim… Klasse 4-Pilot Markus Theuer kämpft gleich mit mehreren Problemen. Die Zündung am Lola Super Vau hat Aussetzer, dazu hat sich über den Winter der Kupplungsgeberzylinder verabschiedet. Winfried Kornmeyer steigt derweil wegen Undichtigkeiten am Simmerring seines March auf sein Kogo-T-Car um.
Dem Autor dieser Zeilen wurde es deutlich zu heiß, denn ein geplatzter Kühlerschlauch sorgt am ASS-Lola für herben Wasserverlust und einen Schaden am Zylinderkopf. Normalerweise ein Grund zur Aufgabe, an der Rennstrecke kann der Zylinderkopf nicht so einfach repariert werden. Doch da kommt der vielbeschworene Formel Vau-Geist ins Spiel… Super-Vau-Spezialist Oswin Büchl ist an der Strecke. Für ihn als ehemaligen Auto-Cross-Fahrer ist Aufgeben keine Option. So wird der Kopf im Handumdrehen demontiert, ins Cramersche Auto gepackt und in die 200 km entfernte Büchl-Werkstatt transportiert. Dort wird der Kopf ganz fix geplant und nach weiteren 2 Stunden ist man schon wieder im Fahrerlager. Schnell wird das Auto wieder zusammengebaut. Punkt 22:00 Uhr läuft der Ex- Frank Lampe ASS-Lola wieder…
Das Qualifying in aller Kürze: Die erste Startreihe machen zwei Klasse-5-Fahrer unter sich aus. Dirk Kornmeyer (March) zeigt wieder einmal seine fahrerische Klasse. Mit 1:55.010 ist er 1,6 Sekunden schneller als Rüdiger Müller (March, 1:56:611). Dahinter folgen Heiko Engelke (Lola 1:59.866) und Joe Welzel (DRM, 2:00.477, Klasse 7). Schnellster Klasse 4-Pilot ist Markus Theuer (Lola, 2:16.685), in Klasse 3 zeigt Youngster Nick Wittkuhn seinen deutlich erfahreneren Kollegen mit 2:09:212 wo es langgeht. Die hartumgekämpfte Klasse 2 führt Tim Renn (Olympic, 2.18.589) an, Lokalmatador Manfred Nord setzt im Klasse 1-Beach seine Bestzeit bei 2:39.489.
Wer im Qualifiying keine Zeit setzen kann, muss in der GLP von hinten starten, so stellen sich Marko Wittkuhn und Thomas Cramer in Wertungslauf 1 hinter dem Feld an. Auch hier ereilt das Feld dann doch das ein oder andere Problem, allen voran die Führungsriege: Dirk Kornmeyer und Heiko Engelke stoppen mit Temperaturproblemen. An Joe Welzels DRM löst sich derweil eine Befestigung der Karosserie. So kommt es gegen Laufende zu einer Überraschung: Weil auch der letzte im Feld verbliebene schnelle Super Vau von Rüdiger Müller wegen steigendenTemperaturen etwas langsamer machen muss, liegt der vom letzten Platz gestartete Autor dieser Zeilen mit dem frisch reparierten ASS-Lola eine Runde vor Schluss unversehens in Führung.
Aber da es in der Historischen Formel Vau ja nicht darum geht, wer am Ende führt, sondern wer am gleichmäßigsten seine Runden dreht, können sich Andere über die Klassen- und Gesamtsiege freuen: Sieger der Klasse 1: Manfred Nord, in Klasse 2 gewinnt Newcomer Michael Andenacker vor Trian Tsolakidis und Tim Renn. Klasse 3 führt der Niederländer Mark Spanbroek vor Dieter Hofbeck und Heinz Hartmann an. Sieger der Klasse 4 wird Markus Theuer vor Marco Wittkuhn. In der Klasse 5 siegt Rüdiger Müller vor Thomas Cramer. Und die Klasse 7 gewinnt Peter Kirchner vor Klaus Dober und Joe Welzel.
Den Gesamtsieg des ersten Laufs sichert sich Mark Spanbroek mit unglaublichen 69 Strafpunkten, es folgen auf den weiteren Plätzen Michael Adenacker und Peter Kirchner.
Heiko Engelke ereilt im 1. Wertungslauf das gleiche Schicksal wie zuvor Thomas Cramer: Wasserverlust im Lola T620 und damit ein auf der Strecke irreparabler Schaden am Zylinderkopf. Aber auch dieses Mal hat der frustrierte Fahrer die Rechnung ohne den hochmotivierten Motorenbauer Oswin Büchl gemacht. Thomas Cramers Auto kennt den Weg vom Vortag, der Motor ist schnell zerlegt, schon geht es auf ins schöne Rottweil, wo die Werkzeuge ebenfalls noch vom Vortag eingerichtet sind. Knapp sieben Stunden und 400 km Fahrtweg später röhrt der gelbe Lola wieder wie gewohnt. Hut ab vor diesem Einsatz, Herr Büchl!
Zum zweiten Lauf am Sonntagmorgen hat die Fahrerschaft eine schöne Geste abgesprochen. In der Einführungsrunde zeigen bei der Einfahrt ins Motodrom alle Fahrer mit dem Zeigefinger nach oben. Grüße an den verstorbenen Freund und Fahrerkollegen – Racing for Anselm.
Schon in der ersten freien Runde bemerkt Polesetter Dirk Kornmeyer ein Geräusch am March Super Vau, den Vater Winfried liebevoll für die Läufe vorbereitet. Er fährt sicherheitshalber zur Box und stellt ab. Sehr zum Missfallen seines „Teamchefs“, der später keinen Schaden feststellt und mit einem Lächeln bemerkt: „Der soll doch ruhig weiterfahren… Wenn nichts kaputt geht, habe ich die nächsten Wochen doch gar nichts zu tun…“. Auch die restliche Riege der schnellen Super Vaus der Klasse 5 muss wegen Defekten nach und nach aufgeben. Heiko Engelke (Kühlerschlauch abgesprungen), Rüdiger Müller (Temperatursensor spielt verrückt) und auch der Autor (wieder Kühlerschlauch undicht) kommen nicht ins Ziel.
Am Ende zählen neben dem Ankommen die gleichmäßigsten Runden. In Klasse 1 ist es wieder Manfred Nord, der den Siegerpokal entgegennehmen darf. Als einziger Starter dieser Klasse ist das nicht mehr ganz so schwer, aber wie sagt man so schön: „To finish first, first you have to finish“. In Klasse zwei gibt es tolle Positionskämpfe auf der Strecke. So schenken sich Tim Renn und Robin Kluth keinen Zentimeter. Windschatten-Duell, extreme Drifts, ständig wechseln die Positionen. So oder so ähnlich müssen die wilden Zeiten der Formel Vau ausgesehen haben… Am gleichmäßigsten kommt Trian Tsolakidis ins Ziel, gefolgt von Tim Renn und Wolfgang Rafflenbeul. In der Klasse 3 bringt es Mark Spanbroek fertig, sein Top-Ergebnis vom Vortag (69 Strafpunkte) noch einmal zu toppen. 62 Strafpunkte, seine „schlechteste“ Vergleichsrunde ist gerade einmal vier Zehntel langsamer als seine schnellste Referenzrunde. Ihm folgen Heinz Hartmann und Vau-Youngster Nick Wittkuhn. Das Klassement in Klasse 4 gewinnt diesmal Marco Wittkuhn vor Markus Theuer. Klasse 5 kommt wie schon berichtet geschlossen nicht ins Ziel und Klasse 7 kann Frank Böning für sich entscheiden, gefolgt von Winfried Kornmeyer und dem ältesten Teilnehmer der Serie, Manfred Benninger.
Ende Juli geht’s zur Sommerfrische ins niederländische Zandvoort. Dort wartet auf die Fahrerschaft der Historischen Formel Vau Europa die neue Formel-1-Strecke mit zwei wunderbaren Steilkurven als Herausforderung.
Text: Thomas Cramer
Fotos: Ruben van Hoorn, Leo Eder
Ergebnisse: http://formel-vau.eu/ergebnisse/