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Merlin BR (D)

Frank Orthey 2025/06/28 16:08

Merlin BR von Bernd Bretschneider. Foto: HFVE

Von Bernd Bretschneider

Wie kommt man zur Formel Vau und dann auch noch auf die Idee, selbst ein Auto zu bauen?

Erstens meistens durch Zufall, wie bei mir und zweitens, wenn man als Fahrer über 190 cm groß ist. Denn für diese Größe sind die meisten Formelrennwagen zu klein. Nach längerer Motorsportpause stieß ich 1998 durch Zufall auf einen Kaimann Formel Vau, der seit Jahren in einer Halle gestanden hatte. Den kaufte ich spontan, nachdem wir uns auf einen Preis geeinigt hatten. Nach Kontaktaufnahme mit Rainer Badura in Wilhelmshaven, damals erster Vorsitzender des Rennsportclub 77 Formel Vau Deutschland e.V., baute ich den Kaimann nach aktuellem Formel V Reglement mit Hilfe von Freunden so um, dass ich meine 194cm unterbringen konnte. Da der Kaimann keine Trockensumpfschmierung mehr hatte und der Platz des originalen Öl-Trockensumpftanks hinten neben dem Getriebe nach neuem Reglement nicht mehr zulässig war, fuhr ich mit serienmäßiger Schmierung. Das Resultat: bei vier Rennen vier Ausfälle mit Motorschaden.

Zu dieser Zeit lernte ich Jochem Roters, Hersteller des DRM-Formel Vau, kennen. Er verkaufte mir einen DRM – Rahmen, mit kleinen Anpassungen an meine Körpergröße und den von Michael Neumann designten Karosserie-Kit. Mit seiner Unterstützung baute ich dann meinen DRM auf. Den Motor hat damals Wolfgang Lohoff gemacht. Auf dem Prüfstand hatte der 1300ccm POLO Motor 98 PS. Leider kam ich trotz der leichten Änderungen mit den inneren Abmessungen nicht zurecht: Blaue Flecken an Knien, Ellenbogen und Schultern waren an der Tagesordnung und den 2ten und 4ten Gang konnte ich nur mit Verrenken der rechten Hand einlegen, weil mein Ellenbogen beim Zurückziehen des Schalthebels sofort an den Rahmen stieß. Nach Absprache mit dem TK, entschloss ich mich, den Rahmen zu ändern, da das Reglement sehr offen war und nur die Achsen, Motor, Getriebe und die Vorderachsbremsen vorschrieb. Zusammen mit Jochem Roters wurde dann etwas mehr „Ellenbogenfreiheit“ geschaffen. Leider passte dann, wie von ihm vorausgesagt, die Verkleidung nicht mehr und ein Anpassen war nicht möglich, ohne die Verkleidung total zu verunstalten. Ich habe dann, bis auf die Seitenkästen eine neue Verkleidung hergestellt.

Da der Wagen jetzt kein „DRM“ mehr war, musste ich meine Konstruktion umbenennen. Mit dieser ersten Rohform (520 kg) bin ich dann erstmals in Zandvoort Probe gefahren. Leider blieb in der Fahrerlager Schikane das Gaspedal bei Vollgas stecken und es gab einen „Nasenstüber“ mit dem Reifenstapel. Mit der Wunderwaffe Tape war die provisorische Reparatur der Nase schnell gemacht und ich konnte den Testlauf problemlos beenden. Da ich mit dem Platz für Ellenbogen und Schulter jetzt halbwegs zufrieden war, änderte ich den unteren Rahmen vorne sowie die Pedale und die Lage der geänderten Umlenkhebel noch mal, um auch für die Knie genug Platz zu haben. Die Nase passte ich dann entsprechend an. Im Anschluss machte ein Freund Abdrücke von der Form und stellte die endgültige Karosserie aus Carbon her. Jetzt konnte ich relativ entspannt fahren und probierte in den folgenden Jahren Fahrwerksvarianten für die Hinterachse: 2 Dämpfer mit Umlenkhebeln auf einem schwingenden Rahmen (Merlin I), eine Variante mit querliegendem Dämpfer (Merlin II) und zum Schluss eine mit längs liegendem Dämpfer (Merlin III).

Mit einer weißen KST-Platte als Diffusor testete ich, um den idealen Anstell-Winkel für mein Auto herauszufinden. In Zolder diskutierte ich bei einem Rennen mit dem technischen Betreuer der Formel ADAC, den ich beim „Spionieren“ der Formel ADAC Rennwagen kennen gelernt habe, über Ground-Effekt und Fahrwerke. Nach dem Gespräch war mein Interesse geweckt und ich wollte jetzt auch ein aerodynamisch wirksamen Formel-Vau bauen. Nach einigem Probieren und Tüfteln hatte ich den Umlenkhebel der Hinterachse vom Formel ADAC an meinen Formel-Vau angepasst (Merlin IV). Mit Federstärken und Vorspannungen testete ich so lange, bis ein fast neutrales Fahrverhalten anlag. In den Kurven hat es eine Seitenneigung von ca. 3-4mm und der getestete Diffusorwinkel von ca. 15° hat sich als optimal herausgestellt. Leider ist dadurch der Grenzbereich ganz eng geworden und nach Grip kommt ganz schnell Abflug.

Bei einer Jubiläumsveranstaltung, wo immer auch ausländische Formel V Fahrer eingeladen wurden, lernte ich durch Joachim Lutz den Südafrikaner Anthony Taylor kennen. Nach einem längeren Gespräch und guter Übersetzungshilfe von Joachim Lutz, vermittelte mich Anthony dann an einen südafrikanischen Formel-Vau Konstrukteur, der mir einen Rahmen nach meinen Maßen baute. Nach der Fertigstellung in Südafrika befürchtete ich große Schwierigkeiten für den Transport nach Deutschland, aber Anthony beruhigte mich, er würde den Rahmen per „Handgepäck“ im Flugzeug nach Deutschland bringen. Wie er das genau bewerkstelligt hat, weiß ich nicht, jedenfalls rief eines Tages ein gewisser Herr McDonald vom Frankfurter Flughafenzoll an und meinte, ein „Frame“ wäre als „Gift“ für einen Bernd Bretschneider aus Südafrika bei ihm angekommen und müsste jetzt abgeholt werden. Meine Frau, die das Telefonat entgegengenommen hatte, hielt das wegen des Namens für einen Scherz, hatte aber zum Glück die Telefonnummer für einen Rückruf aufgeschrieben.

Nach meinem Rückruf unterhielt ich mich lange mit dem sehr netten Herrn. Er ließ sich jedoch nicht erweichen, sodass ich trotz des Vermerks „Geschenk“ eine Zollgebühr zu zahlen hatte. Er wollte wissen, wie man den „Frame“ genau deklarieren könne. Als ich ihm erklärte, dass es sich um einen Rohrahmen für ein Formelrennwagen handelt, begann er eine verzweifelte Suche in seinen Listen. Nach langem Suchen fand er nur eine Position für einen „Hubschrauber-Rahmen“. Um die Sache nicht noch komplizierter zu machen, wurde der Formel-Vau offiziell als „Hubschrauber“ nach Deutschland eingeführt. Nach Bezahlen einer kleinen Zollgebühr beauftragte ich ein Fuhrunternehmen den Rahmen abzuholen. Da mein beauftragter Fuhrunternehmer – warum auch immer - den ZOLL am Frankfurter Flughafen nicht finden konnte, organisierte letztlich der nette Zollbeamte eine „Mitfahrgelegenheit“ in einem LKW Richtung Wilhelmshaven, um die „Kuh vom Eis zu kriegen“, wie er es nannte.

Leider musste ich festgestellt, dass die vorhandenen Karosserieteile nicht richtig auf den neuen Rahmen passten. Die Maße stimmten leider nicht mit meiner Zeichnung überein. Folglich und notwendigerweise stellte ich dann nochmal eine neue Karosserie her, nachdem ich den Rahmen etwas verlängert und im Bereich des Sitzes verbreitert und mit mehr Rohren versteift hatte. Aus Platzgründen konnte ich vorne keinen klassischen Stabi mehr einbauen. Deshalb musste ich auch die Vorderachsfederung umkonstruieren.

Die neue Vorderadaufhängung

Mit dem Fahrwerk bin ich jetzt sehr zufrieden. Auch die Aerodynamik scheint zu funktionieren, denn das der Ground-Effekt tatsächlich funktioniert, habe ich durch Zufall am Nürburgring festgestellt: Vor dem Start am Nürburgring wurde mein neuer Motor in Köln auf dem Motor-Prüfstand eingestellt. Nach einigen Testläufen auf dem Prüfstand fiel die Zündelektronik aus und wir mussten dort wieder auf mechanische Zündung umbauen. Da ich mir die entsprechenden Teile von einem Clubkameraden in der Nähe geliehen habe, wurde es sehr spät. Deshalb habe ich alle Verkleidungen unmontiert eingepackt, aber dabei leider den Diffusor vergessen. Das freie Training bestritt ich insofern zwangsläufig ohne Diffusor. In fast jeder Kurve drehte das kurveninnere, entlastete Rad durch. Das war zuvor nie aufgetreten. Nach Vermittlung von Frank Orthey brachte mir dann zum Glück Thomas Cramer, ein netter Formel Vau Fahrer aus Köln, meinen Diffusor mit. Beim nächsten Training klappte dann alles ohne durchdrehendes Rad. Also muss der Diffusor doch ein paar Kilo generieren und Wirkung zeigen. In dem neuen „Hubschrauberrahmen“ habe ich prima Platz, kann mich selbst ohne Verrenkungen anschnallen und habe keine blauen Flecke mehr. Der Merlin V ist jetzt gemütlich wie ein Maßanzug. So macht das Fahren riesigen Spaß! Wie heißt es so schön: nur Fliegen soll ja schöner sein.

Zum Schluss möchte ich die Entstehung der Namensfindung erklären: Da Jochem Rothers nach meinen diversen Änderungen am DRM meinte, es wäre kein DRM mehr, habe ich überlegt, wie ich das Auto umbenennen könnte. Ein Kollege aus den USA nimmt immer den Namen seiner Kinder verkehrt herum. Dann würde bei mir Elrem rauskommen. Das fand ich nicht so toll, deshalb habe ich den Namen für meine Formel Vau Konstruktionen aus Teilen der Vornahmen meiner Tochter Merle und meiner Frau Karin zusammengesetzt, quasi als Entschädigung dafür, dass ich beiden mit meinen Arbeiten sehr viel Zeit entzogen habe. So ist Merl(e)(Kar)in entstanden. Der Anhängsel BR sind die Anfangsbuchstaben meiner Vornamen. Es hat absolut nichts mit dem Zauberer Merlin zu tun! Meinen Merlin mit dem umgebauten DRM-Rahmen habe ich verkauft, da meine Tochter jetzt leider doch nicht mehr fahren wollte.

Der Merlin BR von Peter Kirchner, Foto: Leo Eder

Ich hatte noch mehrere Anfragen nach einem Merlin Formel-Vau, aber um mein Familienleben nicht noch mehr zu belasten, werden das wohl die beiden einzigen Merlin Formel Vau bleiben, aber man, weiß ja nie.

Teile hätte ich noch ;-)

Mit dem Merlin in Le Mans

Der Merlin in Wolfsburg

Bernd ist Feuer und Flamme für seinen Merlin - hier in Oschersleben 2023. Der Schaden ist zwischenzeitlich behoben.

Erzänzungen zur Geschichte von Peter Kirchner

Vor nun 11 Jahren kam ich durch ein Gespräch mit einem gewissen Dr. Frank Orthey beim Jim-Clark Revival in Hockenheim auf den richtigen Drive, endlich meinen Traum als Rennfahrer verwirklichen zu können! Alles ganz einfach, anfängergerecht und so gerade noch erschwinglich. So wurde ich zu Joe Welzel verwiesen und dort habe ich mich dann ab 2015 für ein paar Rennen in dem orangen „Volles Rohr“-Renner eingemietet. So weit so gut - aber nach anfänglichen Erfolgen war ein neuer Bazillus im Kopf: Ich brauche ein eigenes Rennauto. Nach einigen Gesprächen im Fahrerlager und verschiedenen Optionen wurde ich bei Bernd Bretschneider fündig: er hatte noch einen nicht vollständig aufgebauten Merlin in seiner Garage im hohen Norden! Natürlich erläuterte er mir anhand seines Fahrzeuges die Vorteile und Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen DRM genausten: Hochnase, verbesserte Aerodynamik, besserer Groundeffekt und vor allem die geniale Hinterachsaufhängung. Damit hatte ich später allerdings so meine Probleme. Aber zu dem Zeitpunkt 2016 nach „Verhandlungsabschluss“ fuhr ich zu ihm, um den Wagen optimal an meine Bedürfnisse anzupassen. Sitz, Pedalerie, Lenkradstellung etc. wurden genau auf meine Körpermaße ausgerichtet. Ebenfalls habe ich mich noch ein seitliche zusätzliche Strebe zur Verstärkung des Gitterrohrrahmens gewünscht. Die ganze Familie hat mich wirklich herzlich willkommen geheißen und ich habe die paar Tage in Jever genossen. Eindrücke von den Anpassungen bei Bernd Bretschneider

Das Auto lag toll und ich kam auch auf Anhieb sehr gut klar und war flott im vorderen Feld unterwegs. Aber der Rest der Saison war dann doch von vielen „Wehwechen“ geprägt: immer irgendwo hat irgendwas nicht richtig funktioniert. Und die bereits erwähnte Hinterachskonstruktion hat mich die meisten Nerven gekostet, weil sie mir zweimal bei voller Fahrt brach. Da musste Bernd nochmal ran mit seiner Expertise und nachbessern!

Ab der 2. Saison ging es aber immer besser und ich bin heute immer noch sehr zufrieden und glücklich mit meinem kleinen Merlin. Und ebenso mein jüngster Sohn, der nun auch schon 2 Renneinsätze hatte.

Danke an den genialen Konstrukteur Bernd.

Auf noch ein paar Jahre Spaß!

2003 - 2015

Bernd Bretschneider, Jochem Roters

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Thomas Keßler/Frank Michael Orthey/Lothar Panten: Formel Vau und Super Vau. Die Geschichte eines Rennsport-Welterfolgs. View-Verlag, 2. Auflage Bonn 2017

http://formel-vau.eu/2019/03/10/merlin-br-2/

http://formel-vau.eu/2019/03/10/hfve-fvm-2001-018-merlin-br/

Bernd Bretschneider Peter Kirchner

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