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Formel-Vau-Hersteller unter der Lupe

„Ehrgeizige Eigenbauer sind auch Hersteller“ von Paul Schemann und Frank Orthey Stand: 22.06.2016

Einfügen: Aufmacher- und Details-Fotos Schemann Kap5_Schemann-01.JPG Bildunterschriften: Bildschön – bereits auf dem Reisbrett: der Schemann Zweivergaser

Die boomende Formel-Vau-Szene brachte wirkliche, auf Profit angelegte Herstellerunternehmen, wie beispielsweise Kaimann und Austro Vau in Österreich oder Fuchs, Olympic (MAHAG), Karringer und MoTuL in Deutschland oder RPB oder Veemax in Skandinavien hervor. Sie regte zudem etablierte Rennwagenfirmen wie Lola oder Royale dazu an, Rennfahrzeuge für die aufstrebende Talenteschmiede Formel Super Vau zu bauen. Sie motivierte aber auch viele Eigenbauer. Durch die Großserientechnik lag es für viele Tüftler nahe, selbst zum Zeichenbrett und dann zum Schweißgerät zu greifen und sich den eigenen Rennwagen so zu bauen, wie er aus ihrer Sicht idealerweise hätte sein sollten. In der Blütezeit der Serie entstanden daher ungezählte Eigenbauten, meist als Unikate oder in Kleinststückzahlen, die im Laufe ihres Rennwagenlebens weiterentwickelt wurden. Das ist typisch Formel Vau und in anderen Monoposto-Serien kaum, keinesfalls aber in diesem Umfang zu finden. Die Eigenbauten waren in der Formel Vau ein fester und bedeutsamer Teil der Hersteller-Szene. Sie hießen unter anderem Alvenius, Christman, Freudiger, Javado, Monaco, Steck, Hick, Pichl, Skydiver, Paljar Mato, Utz oder Killroy. Einige Leser werden diese Auflistung sicher nicht teilen, denn die Grenze von Eigenbau zu Hersteller ist flexibel. War es jetzt ein Eigenbau-Unikat oder das Einzelstück eines (vermeintlichen und damals zukünftigen) „Herstellers“? Diese Frage wird immer wieder heiß diskutiert in den einschlägig informierten Kreisen der Historischen Formel Vau Europa. Will man die Spannbreite der Hersteller der Formel Vau und Super Vau markieren, dann würde ohne diese Eigengewächse etwas für die Formel Vau Typisches fehlen. Zudem ist es auch aus technischer Sicht interessant, diese zum Teil sehr einfallsreichen Konstruktionen einem interessierten Blick zu unterziehen. Denn: „Auch Eigenbauer sind Hersteller!“ Dies sagten sich Paul Schemann und Heinz Arens aus Plettenberg im Sauerland und wagten sich daran, einen Formel-Vau-1300-Rennwagen nach dem Vorbild der aus Amerika Anfang der 60er eingeführten Serie zu bauen. Sie hatten sich 1966 kennengelernt, als Arens gerade begonnen hatte, einen Formel-Vau-1200-Eigenbau zu realisieren. Paul Schemann war begeistert und zwei Jahre später war das Fahrzeug fertiggestellt. Dem Bild nach zu urteilen, ähnelte er jenen Rennwagen, die zu dieser Zeit gebaut wurden. Einen Schönheitspreis hätte es wie für viele andere damalige, eher etwas klobig daherkommende Konstruktionen nicht gegeben, aber die Erbauer waren stolz, nach der Fertigstellung am 01.03.1968 die Hauptabnahme beim TÜV Essen mängelfrei zu absolvieren.

Einfügen: Fotos Schemann Kap5_Schemann02.JPG Bildunterschrift: Der erste Arens/Schemann ähnelte den damals üblichen Designs

Konstruktiv hatte man sich an die bereits gebauten Formel-Vau-Rennwagen mit Vierkant-Gitterrohrrahmen, VW-Vorderachse, VW-Getriebe und mit leicht modifiziertem, etwa 50-PS-starkem VW-Motor mit einem Vergaser angelehnt. Die äußere Hülle bestand, nach eigenem Modell gefertigt, aus Fiberglas. Dieser Rennwagen mit der ONS-Wagenpass-Nr. TP4/8791 wurde 1968 nur bei einigen Rundstrecken- und Bergrennen eingesetzt. Der erste Formel Vau 1300-I Arens-Schemann-Eigenbau existiert heute leider nicht mehr. 1969 bis 1970 wurde dann zweite Formel Vau 1300-II Arens-Schemann gebaut und am 08.06.1970 mit der Registrier-Nr. V/1571/70 bei der DEKRA Dortmund mängelfrei abgenommen.

Einfügen: Fotos Schemann Kap5_Schemann03.JPG Bildunterschrift: Der zweite Arens/Schemann war nun konsequent keilförmig gestaltet.

Hiermit stießen die Erbauer in andere Dimensionen vor, was sie auch durch die konsequente Keilform äußerlich zum Ausdruck brachten. Das Auto wurde in der Folge bei Bergrennen eingesetzt, dem Lieblingsbetätigungsfeld von Fahrer Schemann. Im Laufe der 1970er Jahre wurde der Rennwagen dem sich entwickelnden Formel-Vau-Reglement angepasst und immer wieder verändert und verbessert. Der Rennwagen war und blieb ein Unikat. Wegen seiner vielen Besonderheiten war er mit den herkömmlichen Konstruktionen nicht mehr vergleichbar und setzte eigene technische Akzente. So endete der nur 35-kg-schwere Gitterrohrrahmen aus Rundrohr vor dem Motor und bildete mit dem Motor und Getriebe eine tragende Einheit. Dadurch, dass das Getriebe umgedreht wurde und die Tellerräder getauscht wurden, konnte der Schwerpunkt mit nur fünf Zentimetern Bodenfreiheit nach unten verlegt werden. Dies wirkte sich insbesondere auf die Straßenlage aus. Zwischenzeitlich hatte der Formel Vau zudem innenliegende Stoßdämpfer bekommen. Nur um ihn dann bald darauf auf freistehende Federbeine mit gekürzten Hörnern der Vorderachse und innenliegenden Stabilisatoren umzurüsten.

Einfügen: Fotos Schemann Kap5_Schemann04..JPG Kap5_Schemann05.JPG Bildunterschrift: Der Schemann-Eigenbau in der letzten Ausbaustufe mit vielen interessanten Details.

Der Motor, inzwischen mit einer Trockensumpfschmierung versehen, erhielt zudem einen seitlichen Alu-Kühl-Filter. Die letzte „Karr“ – Motorversion mit einem zentralen Doppel-Vergaser mit Doppelansaugrohren hatte auf der Motorbremse nachweislich 133 PS. Die beiden Tüftler wagten sich damit immer wieder auch in die Grenzbereiche des Formel-Vau-Reglements und loteten aus, was gerade noch möglich war und ging. Die Fieberglas-Verkleidung war in einer optimierten Keilform ausgeführt, wurde immer wieder verändert und nach 1978 mit Ergänzung eines Heckflügels in der Form unverändert beibehalten. Die beiden Sauerländer Eigenbauer experimentierten auch mit ganz unterschiedlichen Luftführungen, die heute auch von der damaligen Formel 1 inspiriert erscheinen. Auch die Farben änderten sich im Laufe der Jahre mehrfach. Die letzte Farbgestaltung war bis 1984 in rot-weiß gehalten. Auch an der Ausführung von Design und Lackierung wird wie an vielen anderen Details deutlich, wie akribisch und professionell die beiden Eigenbauer zu Werke gingen. Das hatte keinen Hinterhofschrauber-Charakter. Das Ergebnis mit seinen feinen und innovativen technischen Lösungen sprach eher für einen Rennwagen-„Hersteller“. Der Formel Vau 1300/II wurde in den Jahren 1970 bis 1984 bei ca. 150 Bergrennen mit großem Erfolg von Paul Schemann eingesetzt. 1978/1979 beendete Edelschrauber Heinz Arens seine Aktivitäten, Schemann machte weiter bis 1984. Er gewann dabei unter anderem mehrfach die westdeutsche Formel-V-1300-Bergmeisterschaft und 1982 die DMV-Bergtrophäe. Der tödliche Unfall eines Rennfahrerfreundes bewog Schemann dazu, 1984 im Alter von 52 Jahren, den Helm, den er fast ausschließlich bei Bergrennen getragen hatte, an den Nagel zu hängen. Beim letzten Bergrennen 1984, dem Internationalen ADAC-Sauerland-Bergpreis, konnte Paul Schemann mit einem Klassensieg seine Karriere beenden. Danach wurde der Schemann Formel Vau 1300/II zerlegt und eingemottet. In stillen Stunden hatte Schemann sich in den folgenden Jahren wohl immer wieder mal in den abgelegten Rahmen gesetzt und seine erfolgreichen Bergrennen Revue passieren lassen. Nach einer Bypass-Operation 2008 reifte dann der Entschluss, das Auto wieder aufzubauen. Jörg Paul aus Plettenberg war ein neuer Freund, der bei der Umsetzung tatkräftig mithalf. Die an unterschiedlichen Orten zwischengelagerten Teilepakete wurden in einer zentralen Garage gesammelt. Paul Schemann erinnert sich: „Die Einzelteile waren arg in Mitleidenschaft gezogen, angerostet, Kupplungs- und Bremsanlage fest und oxidiert, der Motor als Herzstück der damaligen Erfolge war fest und drehte sich nicht mehr.“ Nach hunderten von Arbeitsstunden erstrahlte der Eigenbau in neuem alten Glanz. Am 16. Oktober 2010 rollte er zum 1. Historischen Revival des Sauerland-Bergpreises – und damit nach 25 Jahren an den Ort seines letzten Einsatzes 1984 zum Comeback zurück. Obwohl nicht mehr im Rennmodus, sondern unter Gleichmäßigkeitsbedingungen und Polizeiaufsicht ausgetragen, erreichte der damals 78-jährige Plettenberger Rennfahrer den 3. Platz in der Klasse. Schemann meinte leicht enttäuscht mit Blick zurück auf die damaligen Schnitte von rund 100 km/h angesichts der neuzeitlich polizeiüberwachten 50 km/h: „Ich bin kaum über den 2. Gang herausgekommen.“ In den Jahren 2010 bis 2013 wurde der Formel Vau 1300/II von Paul Schemann bei einigen historischen Gleichmäßigkeits-Bergrennen eingesetzt. Der im Eigenbau hergestellt Formel Vau steht heute da wie einst. Perfekt und zum nächsten Einsatz am Berg oder in der „Formel Vau“ der Historischen Formel Vau Europa bereit.

Einfügen: Fotos Schemann Kap5_Schemann06.jpg Bildunterschrift: Der Schemann-Eigenbau heute.

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  • Zuletzt geändert: 2021/01/29 19:05
  • von frankorthey