Sebastian (WISEB)
— Frank Orthey 2025/01/06 11:55
WISEB, entstanden bei der Firma Sebastian, gebaut unter der Mitwirkung von Heinz Fuchs
Geschichte
Basisbeitrag von Frank Orthey auf Grundlage von Informationen von Joachim Ohlinger
Nach seinem Ausscheiden bei Porsche 1965 arbeitete Heinz Fuchs für drei Monate bei der Firma Sebastian in Weinheim. Dort baute er vermutlich drei Formel Vau-Rennwagen mit gebrauchter Technik.
Sebastian-Typenschild, vermutlich am zweiten Auto
Ein Fahrzeug baute Fuchs mit Längslenkern aus Flachmaterial. Die Wagen hatten Dreieckstanks hinter den Sitzen. Die zunächst verwendete Vier-Rohr-Auspuffanlage wurde zu einer 4-in1-Auspuffanlage mit einer Rohrlänge von 80 cm und einem Rohr-Durchmesser von 36/38 mm weiterentwickelt. Zwei der Fahrzeuge hatten eine Karosserie mit einem Bürzel hinten.
Interessante Details am (Fuchs-) Sebastian WISEB, vermutlich am zweiten Auto
Für den Rahmen wurden Rohre 30 mm x 1 mm verwendet, die Stoßdämpfer kamen von Motorrädern. Lenkräder baute die Firma Bross in Stuttgart in Einzelanfertigung. Die bei Sebastian entstandenen Fahrzeuge hatten laut Heinz Fuchs keine Rahmennummern (das Foto unten zeigt allerdings ein Typenschild). Die späteren „Füchse“ hatten die Rahmennummer hinten rechts bzw. lt. Fuchs-Experte Lothar Panten neben dem Schaltgestänge bzw. waren ganz ohne eine solche.
Der eingebaute Sitz, so Fuchs, sei baugleich mit den 60 Sitzen, die er für die Frankfurter Diskothek „Dorian Gray“ gebaut habe. Hinten hatten die Fahrzeuge einen „Rammschutz“-Bügel, der dem Schutz des Schaltgestänges vor allzu forsch oder böswillig auffahrenden Mitbewerbern dienen sollte. Die ersten Ansaugtrichter fertigte Fuchs aus Alurohren von Hand. Die Nachlaufverstellung an der Vorderachse diente zur Ermittlung der optimalen Nachlaufeinstellung für die folgenden zu bauenden Fahrzeuge.
(Quelle: Gesprächsprotokoll von Joachim Ohlinger mit Heinz Fuchs am 10.03.2011)
Ende 2024 meldet sich auf diesen Vau-Wiki-Eintrag hin der Berliner Besitzer eines (damals vermutlichen) (Fuchs-) Sebastian. Joachim Ohlinger nimmt Kontakt auf und es stellt sich heraus, dass es sich tatsächlich um eines der damals gebauten Fahrzeuge handelt.
Der in Berlin aufgefundene Fuchs-Sebastian (WISEB), Foto: Sven Harder
Im Zuge der Gespräche zu diesem „Fund“ stoßen wir auf das 2023 erschienene Buch „Formel Seb“. Untertitel: „Sebastian und die Silberpfeile“. Das Werk richtet den Blick auf das Schaffen der Familie Sebastian, insbesonder der Brüder Wilhelm und Ludwig, die in führenden Rollen als Fahrer, Rennleiter und Mechaniker bei DAIMLER-BENZ und der AUTO Union unter anderem an den Werkswagen von Carraciola, Stuck, Bernd Rosemeyer und Tazio Nuvolari arbeiteten. Nach dem Krieg gründen die beiden bürgerliche Auto-Existenzen, die in der stattlichen Firma „Auto-Sebastian“ in Weinheim/Bergstraße gipfeln.
Wilhelm Sebastian erfährt 1964/1965 davon, dass Porsche die Formel V in Europa etablieren will. Er erlebt, wie Porsche seinem Mitarbeiter Heinz Fuchs die Teilnahme am Eberbacher Bergrennen (wo die neue Formel von Porsche präsentiert wird) in einem Eigenbau aus Konkurrenzgründen verbietet. Tags darauf wird Fuchs gekündig. Heinz Fuchs findet bei Sebastian eine zwischenzeitliche neue Heimat und baut mit ihm einige „WISEB (WILhelm SEBastian-Formel-Vau-Rennfahrzeuge)“. „Ein Rennwagen auf dem Pritschenwagen, ein weiterer auf dem Anhänger, so geht es zu den beliebten Berg- und Flugplatzrennen in der Region. Auch Reinhold Joest, der seine Ausbildung bei Wilhelm absolviert hat, testet einen WISEB. Wilhelms Hobby-Rennstall hat nicht lange Bestand, ganz anders die Karriere von Joest. Er wird Porsche-Werksfahrer, -Teamchef und führt mit seinem JOEST RACING-Team aus Wald-Michelbach die AUDI-Silberpfeile der Neuzeit zu großartigen Erfolgen. Der Kreis schließt sich.“ (Conrad 2023, S. 123) Es ist ein Kreis, der von den „Silberpfeilen“ zu einem Formel Vau und zurück zu den Silberpfeilen führt. Und die Formel Seb-Geschichte hat noch einen zweiten Abzweig zur Formel Vau: Bruder Ludwig Sebastian, die bald ebenfalls in der Weinheimer Firma arbeitet und sich dort um den Anhängerbau kümmert, veröffentlicht 1952 seine Memoiren „Hinter dröhnenden Motoren - Bernd Rosemeyers Monteur erzählt“. 1957 übernimmt er eine Tankstelle in Mannheim ind eröffnet sieben Jahre später eine VW-Vertragswerkstatt (Speckweg 28 - 30 in Mannheim), in der auch sein Sohn Bernd mitarbeitet, der nach Ludwigs ehemaligem, bei Rekordfahrten verunglückten Fahrer Bernd Rosemeyer benannt ist. „Über Felgenfabrikant Günter Schmid kommt er zur Formel V. Der Mannheimer lässt sich von Ludwig einen Formel-V-Kit aufbauen.“ Günter Schmid gründet später ATS und Rial und ist in der Formel 1 aktiv. „Bernd macht sich bald einen Namen in der Szene und erhält Aufträge für Kits aller möglichen Hersteller wie Kaimann, Lotus, Lola oder McLaren. Und wenn Bernd Kits bei der österreichischen AUSTRO-V-Gemeinde abholt, trifft er schon mal auf Helmut Marko oder Niki Lauda. Auch für den benachbarten Rennwagen-Bauer Erich Hitchfel (RSM Technik, Speckweg 55) setzt er Getriebe zusammen. Neun Jahre lang ist Bernd Rennmechaniker beim Mannheimer WR-Racing-Team (Westdeutscher Reklamedienst) von Eberhard Winkler. Eine besonderer Höhepunkt in dieser Zeit ist 1971 der Europacup-Sieg von Jochen Mass auf dem Nürburgring. Das Siegerauto, ein türkisfarbener Kaimann, kommt natürlich von Bernd.“ (Conrad 2023, S. 124) Im Zuge seiner Recherchen verbrachte Joachim Ohlinger einige Stunden mit Bernd Sebastian. Dazu notiert er: „Bernd Sebastian hat auch mit den und für die Zöllnerbrüder, Karr, Hitschfell usw. Motoren in den Jahren 1965 und bis in die 1980 er Jahre gebaut. Sehr interessant diese auch technischen Geschichten. Daneben hat er wohl ca. 20 FV Rennwagen verschiedener Hersteller zusammengebaut und mit eigenen Motoren bestückt. Richtig müssen die Autos tatsächlich Hersteller Sebastian Typ WISEB heißen. Wilhelm Sebastian war Chef, Initiator und Geldgeber, Heinz Fuchs 1965 Angestellter im Autohaus Sebastian. Zumindest entnahm ich dies im Gespräch mit Herrn Sebastion. Heinz Fuchs hat zuvor privat einen FV mit Alu Karosserie und dann Ende 1965 Anfang 1966 in der Selbsttändigkeit eigene „Fuchs FV“ hergestellt. Der WISEB mit der Fg.Nr.7 ist wohl der dritte Wagen, das Berliner Auto der zweite, das Auto von mir das erste Auto. Ein Schriftstücke dazu lässt vermuten, dass tatsächlich nur 3 Wagen gebaut wurden (aus dem Nachlass von Erich Hitschfell).“
Handschriftliche Notiz mit Bezügen aus dem Nachlass Erich Hitschfell, Archiv Joachim Ohlinger
Bauzeit/Baujahre
1965
Typen und Technik
Konstrukteur(e)
Heinz Fuchs/Wilhelm Sebastian
Anzahl der gebauten FV- und Super-Vau-Fahrzeuge
vermutlich 3
Firmensitz- und Adresse (historisch, aktuell)
Weinheim/Bergstraße
Quellen, Bücher, Websites
Thomas Keßler/Frank Michael Orthey/Lothar Panten: Formel Vau und Super Vau. Die Geschichte eines Rennsport-Welterfolgs. View-Verlag, 2. Auflage Bonn 2017
Conrad, Dietrich: FORMEL SEB. Sebastian und die Silberpfeile. Verlag Waldkirch, Mannheim 2023