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Olympic (D)

Frank Orthey 2022/01/08 18:53

Alfred Voglberger im Olympic

Die MAHAG-Olympic-Story

Basisbeitrag von Dr. Thomas Eder

Das Jahr 1968 stand im Zeichen des Umbruchs. Der Prager Frühling setzte ein Signal für die Demokratisierung der kommunistischen Machtsysteme, die Studentenbewegung in Deutschland hatte die außerparlamentarische Opposition etabliert, Andreas Baader und Gudrun Ensslin zündeten ein Frankfurter Kaufhaus an und legten damit den ideologischen Grundstein für die Rote Armee Fraktion, die in den Folgejahren die Bundesrepublik terrorisieren wird. Und in München beschloss der motorsportbegeisterte VW- und Porschehändler Fritz Haberl ein eigenes Formel-Vau-Projekt zu realisieren.

Die Geschichte der MAHAG-Firmengruppe begann 1948 mit der Eintragung der „Münchener Automobil Handels GmbH“ im Handelsregister. Nach Kfz-Meisterprüfung, dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und Praktikum im Bankhaus Oppenheim trat Fritz Haberl 1960 als geschäftsführender Gesellschafter neben seiner Mutter Katharina in die MAHAG ein, die er als langjähriger Chef zum Großkonzern ausbauen und zu einem der führenden Autohandelshäuser in Deutschland und Marktführer beim Verkauf von Porsche, VW und Audi machen wird.

Fritz Haberl erkannte bereits früh die Bedeutung der Formel Vau als preisgünstige Nachwuchsrennserie. Im „Formel-Vau-Stützpunkt“ verkaufte man zunächst aus den USA importierte Bausätze der Firmen Beach Racing und Formcar. Dann wurde gemeinsam mit Porsche Salzburg die Eigenkonstruktion Austro Vau entwickelt. Schon früh bot MAHAG bei Veranstaltungen seinen Kunden den Service eines eigenen Renndienstes.

Damals dominierten die österreichischen Fahrer eindeutig das Renngeschehen in der Formel Vau. So gewannen drei Fahrer aus der Alpenrepublik in Folge den neu ausgeschriebenen Europa-Pokal: Michael Walleczek (1966, Austro Beach), Günther Huber (1967, Austro Beach) und Werner Riedl (1968, Austro V). An einem Tag, an dem der Himmel über München wohl besonders intensiv weiß-blau gefärbt war, beschloss Fritz Haberl, „dass man da von deutscher Seite ein Gegengewicht schaffen muss.“ Das Projekt wurde kurzerhand zur Chefsache erklärt und mit der Gründung und dem Management des neuen Teams beauftragte Haberl seinen Porsche-Verkaufsleiter und Ex-Rallye-Meister Sven von Schroeter. Die räumliche Nähe des Europa-Verbandes zur MAHAG-Zentrale, die in nur wenigen hundert Metern Entfernung in München-Haidhausen beheimatet war, sorgte sicher für wichtige Impulse bei der Umsetzung des ehrgeizigen Vorhabens. MAHAG-Zentrale in der Schleibinger Straße

München befand sich in der Vorbereitungsphase der Olympischen Spiele 1972. Man hatte sich gegen die Mitbewerber Detroit, Madrid und Montreal durchgesetzt und die ganze Stadt war beseelt vom olympischen Gedanken. Logischerweise musste der neue Münchener Rennwagen „Olympic“ heißen.

Sven von Schroeter stellte seine Mannschaft auf. Teamchef wurde Werkstattleiter Walter Glattenbacher, für das Fahrwerk war der junge Franz Janker zuständig und zur Motorenentwicklung verpflichtete man den Tuningspezialisten Werner Haberhauer. Mit im Team war Wolfgang Gross aus der MAHAG-Abteilung Verkaufsförderung und Statistik, der sich als Werbeleiter und fotografierender Chronist unentbehrlich machte. Team Mahag mit (von links) VW-Verkaufsleiter Ivo Walter, Werner Haberhauer. Alfred Voglberger, Walter Glattenbacher und Franz Janker

Bei der Entwicklung und Fertigung des Rohrrahmens arbeitete Franz Janker eng mit der Firma Alzmetall aus Altenmarkt zusammen, die auch in die Austro Vau Produktion involviert war. Die Änderungen gegenüber dem Austro Vau waren nicht revolutionär und hatten zum Ziel, die Stabilität des Chassis bei gleichzeitiger Gewichtsminimierung zu erhöhen. Dafür sorgten zusätzliche Rohrverstrebungen in der Längsachse der Struktur, der Einsatz von Bilstein-Gasdruckstoßdämpfern und weitere Maßnahmen, die den Schwerpunkt des Fahrzeugs herabsetzten. Auffallend war der Z-förmige Stabilisator an der Hinterachse. Die Geometrie der Längslenker war konservativ ausgelegt, gabelförmig mit einem vorderen Anlenkpunkt.

Mit dem Bau der Karosserie betraute man die Firma Fiberfab in Auenstein bei Heilbronn. Deren Inhaber, Jörgfrieder Kuhnle, hatte große Erfahrung im Umgang mit GFK. Sein erfolgreichstes Produkt sollte später der Fiberfab FT Bonito werden, ein 2+2-sitziges Sportcoupé auf VW-Käfer-Basis. Das Design des MAHAG Olympic orientierte sich an den damaligen Formel-2- und Formel-3-Fahrzeugen, was ihm ein sehr schlankes Aussehen gab und den Trend der Formel Vau weg vom Badewannen-Look hin zur mehr aerodynamischen Auslegung der Monoposti deutlich machte. Dass man hier aus Designgründen mittlere Katastrophen in Bezug auf die Aerodynamik in Kauf nahm, war der Tatsache geschuldet, dass die Optik eines „richtigen“ Rennwagens einen höheren Kaufanreiz bot. So wurde beispielsweise die Front als (geschlossener) Kühllufteinlass gestaltet, die wegen des Lenkgetriebes notwendige Hutze stand flächig im Wind. Details die nicht unbedingt zur Verringerung des Luftwiderstandsbeiwertes beitrugen. Allerdings dürfte dies in Anbetracht der damals erreichbaren Höchstgeschwindigkeiten vernachlässigbar gewesen sein. Interessant war die anfänglich sehr weitreichende Heckverkleidung, die sogar teilweise die hinteren Stoßdämpfer umschloss. Das erwies sich allerdings im Renneinsatz als unvorteilhaft, in der Serienfertigung wurde darauf verzichtet. Als praktisch dagegen zeigte sich die Zweiteilung der Fronthaube, die im Schadensfall den Austausch vereinfachte.

Die strengen Vorgaben des Reglements erlaubten keine weitgehenden Tuningmaßnahmen an dem 1300-ccm-Käfermotor. Trotzdem gelang es Werner Haberhauer durch viele kleine Detailverbesserungen einen überragenden Motor zu präsentieren, der einer der Grundpfeiler für den Erfolg des Olympic war. Zitat Haberhauer: „Den Motor komplett zerlegen. Anschließend die Kolbenringe, Ventile und den Brennraum bearbeiten. Eine Prise Kreativität – etwas machen, das die anderen nicht machen – fertig ist der Meistermotor.“ MAHAG verfügte als führender Groß- und Einzelhändler über ein entsprechend großes Ersatzteillager, das es Haberhauer ermöglichte, über die Selektion der kritischen Bauteile eine zusätzliche Leistungssteigerung zu erzielen. Dass der mittlerweile 60 PS starke Boxer auch von vielen Fahrern in Konkurrenzfabrikaten eingesetzt wurde, spricht für die damalige Überlegenheit des MAHAG-Triebwerks.

Bei Testfahrten erzielte Kurt Ahrens jun. auf Anhieb auf dem kleinen Kurs des Hockenheimer Motodroms einen neuen Rundenrekord für Formel Vau in beachtlichen 1.20,4 Minuten.

Auf der Rennstrecke debütierte der Olympic im April 1968 beim Flugplatzrennen Wien-Aspern, das als Qualifikationslauf für den Europa-Pokal gewertet wurde. MAHAG setzte mit den Fahrern Roland Müller, Rainer Braun und Hannelore Werner drei Fahrzeuge ein. Mit dem dritten Platz Müllers hinter den beiden Kaimann-Fahrern Günther Huber und Dr. Helmut Marko und der Platzierung der beiden anderen Olympic-Piloten unter den ersten zehn setzte man ein erstes Ausrufezeichen. Rainer Braun mit seinem Olympic am Wallberg 1968

Der Verkaufspreis des Bausatzes betrug 3.950 DM ohne Umsatzsteuer, der Rennmotor stand mit 2.185 DM in der Preisliste. Durch diese moderate Preisgestaltung konnte sich MAHAG sehr schnell einen großen Marktanteil bei den Privatfahrern sichern. Bei dem im Rahmenprogramm des Grand-Prix Deutschland im August auf der nebligen Nordschleife des Nürburgrings stattfindenden Formel Vau Rennen fuhren bei den internationalen Lizenzfahrern von 59 Startern bereits sieben im Olympic Vau. Einer davon war übrigens der Mannheimer Blumenhändler und spätere ATS Formel 1 Rennstallbesitzer Günter Schmid.

Aus Public Relations Gründen bemühte sich MAHAG immer wieder, das Cockpit ihrer Werkswagen mit prominenten Piloten zu besetzen. Dabei konnte man in besonderer Weise von der Vernetzung Sven von Schroeters in der Motorsportszene profitieren. So kamen Fahrer wie Manfred Schurti, Dieter Basche, Christian Dietrich, Lasse Sirviö, Bill Scott, Manfred Jantke, Dr. Helmut Marko und Niki Lauda zu sporadischen Einsätzen im Olympic. Anlässlich eines von MAHAG arrangierten Sonderlaufs für die lokale Sportprominenz beim Flugplatzrennen Neubiberg 1970 durfte die Skirennläuferin Rosi Mittermaier einen Werks-Olympic fahren. Die spätere Doppel-Olympiasiegerin gewann das Rennen mit einem sicheren Vorsprung, obwohl die damals Zwanzigjährige erst seit wenigen Monaten im Besitz des Führerscheins war.

Besonderes Geschick bewies man mit der Verpflichtung des Ausnahmetalents Alfred Voglberger aus Markt Schwaben bei München. Der junge Kraftfahrzeugmechaniker hatte sein Rennsportdebüt 1967 in der britischen Formel Vau Meisterschaft gegeben, der dritte Platz in der Gesamtwertung war eine Empfehlung par excellence. Im Jahr 1968 lag er sowohl in der Wertung des ONS-Junioren-Pokals als auch bei dem hochdotierten Bernd-Rosemayer-Pokal in der Spitzengruppe, gab aber beide deutschen Nachwuchsserien zugunsten einer internationalen Lizenzierung auf. Ebenfalls ein Glücksgriff war die Vergabe des zweiten Teamplatzes an die Rheinländerin Hannelore Werner, die ihre ersten Formel Vau Rennen für das IGFA Racing Team bestritten hatte Die 26-jährige Zahntechnikerin fuhr ihren männlichen Kollegen derart forsch um die Ohren, dass Dieter Quester seinen frustrierten Formel-Vau-Kollegen empfahl, „statt zu jammern, dem Weib doch mal einen richtigen Kerl zuzuführen, damit sie endlich schlappmacht im Rennbetrieb.“ Der richtige Mann sollte dann ihr Förderer und Eifelland-Inhaber Günther Hennerici werden, zuvor machte sie aber noch eine steile Karriere in der Formel Vau, rückte über die Formel 3 schließlich in die Formel 2 auf, wo sie 1970 beim AvD-„Preis von Deutschland“ auf der Nordschleife des Nürburgrings mit ihrem zweiten Platz hinter Xavier Perrot als bestplatzierte Frau in dieser Formel in die Geschichte einging. Hannelore Werner

Die Saison 1969 bescherte Voglberger im MAHAG Olympic den Gewinn des Alpenpokals, der in vier Läufen (am deutschen Roßfeld, im österreichischen Gargellen, sowie den beiden Schweizer Bergrennen Les Rangiers und Marchairuz) als inoffizielle Formel Vau Europabergmeisterschaft ausgetragen wurde. Mit diesem Pokalgewinn als Rückenwind qualifizierte sich der Markt Schwabener über die Vorläufe für die beiden Finalrennen des Europa-Pokals im schwedischen Mantorp Park und auf dem Nürburgring. Zur Bedeutung dieses Pokals muss man sich vor Augen halten, dass die Finalteilnehmer der Extrakt von 520 Fahrern aus zwölf Nationen waren. Nach einem dritten Platz im ersten Finallauf in Mantorp Park, bei dem die mitfavorisierten Österreicher eine überraschende Niederlage kassierten, befand sich Alfred Voglberger in der Favoritenrolle, da man den skandinavischen Fahrern wegen mangelnder Streckenkenntnis der 7,7 km langen Nürburgring-Südschleife keine Spitzenplätze zutraute. So genügte dem 22-jährigen in einem taktisch ausgeprägten aber dennoch spannenden Rennen ein zweiter Platz hinter dem Wiener Handschuhfabrikanten Peter Peter auf Austro Vau zum Pokalsieg und Höhepunkt seiner Rennsportkarriere. Hannelore Werner, die in diesem Finallauf auf dem zweiten Werks-Olympic den elften Platz belegte, gewann den von dem Mineralölunternehmen Caltex ausgeschriebenen Coupe de Charme vor der Schwedin Barbara Johansson und Jenny Nadin aus Großbritannien.

Wenige Monate später debütierte der MAHAG-Werks-Olympic als Filmstar im deutschen Fernsehen. Für den medienkritischen TV-Thriller „Das Millionenspiel“ von Autor Wolfgang Menge verwendete man Filmmaterial aus dem Europapokallauf. Als Sieger des Rennens ließ sich Hauptdarsteller Jörg Pleva in Alfred Voglbergers Olympic feiern.

Ein weiteres Highlight für Alfred Voglberger, Hannelore Werner und ihre MAHAG-Betreuer Glattenbacher, Haberhauer und Janker war die Teilnahme an der Daytona Speedweek, USA, in den Jahren 1969 und 1970. In beiden Jahren endete der interkontinentale Vergleichskampf, den manche als inoffizielle Weltmeisterschaft, Kaimann-Pilot Erich Breinsberg hingegen als Einladung zum „jährlichen Abwatschen„ bezeichneten, mit einem Debakel für die europäischen Teilnehmer. Dies war vorhersehbar, da die Amerikaner das Reglement und die Spielregeln bestimmten und durch ihre ruppige und unfaire Fahrweise die Rennen entschieden. Problematisch war für die Motoren der Höhenunterschied zwischen München und dem auf Meeresniveau liegenden Daytona Beach. Da es den Europäern untersagt war, vor dem offiziellen Training Testfahrten durchzuführen, nutzte Haberhauer die Chance, die sich bot, als ein amerikanisches Filmteam Aufnahmen von Hannelore Werner und ihrem Olympic im Sand von Daytona Beach machen wollte. Der Motorenspezialist versuchte sich an der Feinabstimmung der verstellbaren Hauptdüsen im Vergaser, indem er den Strand zur Teststrecke umfunktionierte. Da dabei das geltende Tempolimit von 5 mph um ein Vielfaches überschritten wurde, kam es folglich zu einem hollywoodreifen Polizeieinsatz mit anschließender Anhörung des armen Testfahrers. Erst nach einer Intervention Anton Konrads, dem Generalsekretär der Formel Vau, und der Zahlung von 350 Dollar konnte Haberhauer aus den Fängen der amerikanischen Justiz befreit werden. Ein starkes Team: Haberhauer, Janker, Voglberger

Mit dem Gewinn des Europapokals war die Mission erfolgreich zu Ende gebracht worden. Der motivierende Traum, der über viele Monate alle Beteiligten zu Höchstleistungen getrieben hatte, war erfüllt und konsequenterweise beendete MAHAG das Engagement in der Formel Vau. Zwar präsentierte man noch 1970 in München zur Einführung der Super-Vau einen aus den USA importierten Beach-Prototyp, aber die Produktion des Olympic fand ein Ende und die Entwicklung eines eigenen Fahrzeugs für die 1971 neu eingeführte Aufsteiger-Formel schloss MAHAG aus. Letztendlich wurden 26 Olympic ausgeliefert, ein kleiner Teil davon als Bausatz. Die MAHAG-Tuning-Abteilung blieb dagegen noch lange aktiv. Neben zahlreichen anderen Projekten entwickelte Werner Haberhauer eine Sportauspuffanlage für den Käfer, die sich als Verkaufsschlager erwies und mit ihrem Sound und Aussehen unzählige junge Leute glücklich machte.

Alfred Voglberger gewann 1970 erneut den Alpenpokal, als Vorjahressieger durfte er beim Europapokal nicht mehr antreten. Neben familiären Gründen beendete die Einberufung zur Bundeswehr schließlich seine Karriere. Alfred Voglberger und Manfred Schurti beim Flugplatzrennen in Neubiberg Niki Lauda im Olympic am Norisring

Der Autor Tom Eder im Olympic

26 Original-Olympic-Stückliste

Schleibingerstr. 12-16 81669 München

Thomas Keßler/Frank Michael Orthey/Lothar Panten: Formel Vau und Super Vau. Die Geschichte eines Rennsport-Welterfolgs. View-Verlag, 2. Auflage Bonn 2017, S. 138ff

Werner Haberhauer

Dr. Thomas Eder

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